Das Asperger-Syndrom zählt zu den Autismus-Spektrum-Störungen. Die autistische Entwicklungsstörung tritt meist ab dem 3. Lebensjahr in Erscheinung – bei vielen Menschen wird sie jedoch erst im Erwachsenenalter diagnostiziert. Einen Überblick über typische Symptome, Diagnoseverfahren und Therapiemöglichkeiten erhalten Sie in folgendem Ratgeber.
Beschreibung: Was ist das Asperger-Syndrom?
Das Asperger-Syndrom geht mit zahlreichen Symptomen einher, die meist die soziale Kompetenz betreffen. Asperger-Autisten weisen oft ein eingeschränktes Einfühlungsvermögen auf: Sie haben Schwierigkeiten, sich in andere Personen hineinzuversetzen und ihre Gefühle nachzuvollziehen. Gesichtsausdruck, Gestik und Mimik werden nicht richtig interpretiert, während Asperger-Autisten selbst oftmals kaum Mimik aufweisen. Beispielsweise reagieren sie selten auf ein Lächeln und scheinen humorvolle Bemerkungen zu ignorieren. Die Gesprächsführung gestaltet sich daher schwierig, denn Asperger-Autisten können subtile Signale meist nicht verstehen. Damit einher gehen eine mangelhafte soziale Kompetenz und die Unfähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen. Auf Außenstehende wirken Personen mit dem Asperger-Syndrom oft sonderbar, nicht zuletzt, weil sie häufig ungewöhnliche Sonderinteressen entwickeln. Sie haben daher Probleme, Freundschaften aufzubauen – in vielen Fällen haben Sie allerdings gar ein Interesse an sozialen Kontakten.
Ab welchem Lebensjahr tritt das Asperger-Syndrom auf?
Erste Anzeichen für das Asperger-Syndrom werden meist ab dem dritten Lebensjahr erkennbar. Da die meisten Ärzte und auch Lehrer inzwischen mit diesem Syndrom vertraut sind, erfolgt die Diagnose heute meist im Kindergarten- oder Grundschulalter. Noch vor einigen Jahren war diese Entwicklungsstörung jedoch kaum bekannt, weshalb viele Betroffene einen langen Leidensweg auf sich nehmen mussten und häufig erst im Erwachsenenalter die Diagnose Asperger-Autismus erhalten haben.
Kinder mit dem Asperger-Syndrom weisen in der Regel keine Einschränkungen in puncto Intelligenz und Sprachentwicklung auf. Im Gegenteil: Die Sprachentwicklung setzt sogar meist sehr frühzeitig ein, und die Kinder heben sich durch eine sorgfältige Wortwahl und ausgefeilte Sätze von Gleichaltrigen ab. Die motorische Entwicklung ist hingegen oft leicht verzögert. Kinder mit Asperger sind häufig etwas ungeschickt und zeigen beim Spiel nur geringe Fähigkeiten zur Interaktion. Statt mit den anderen Kindern zu kommunizieren, ziehen sie sich häufig zurück und führen Selbstgespräche.
Typisch für Asperger-Autisten: Inselbegabungen
Personen mit Asperger-Syndrom haben oftmals eine Inselbegabung: Sie beschäftigen sich intensiv mit einem bestimmten Thema, beispielsweise mit Busfahrplänen oder der Wachstumsgeschwindigkeit verschiedener Pflanzen. Ist die Entwicklungsstörung sehr stark ausgeprägt, haben die Betroffenen häufig nur wenig Interesse an anderen Themen. Trotz ihrer meist hohen Intelligenz und ihrer oftmals beeindruckenden Fähigkeit zu logischem und abstraktem Denken sind Asperger-Autisten daher oftmals schlecht in der Schule. Viele Kinder entwickeln zudem Schulangst, weil sie mit der Schulsituation überfordert sind. Diese Schulangst kann bis zur Schulverweigerung reichen. Im Zuge des Erwachsenwerdens lernen Betroffene zunehmend, sich anzupassen und nicht unangenehm aufzufallen. Der Alltag ist für sie sehr anstrengend, sodass sie in ihrer Freizeit dazu neigen, sich zurückzuziehen und soziale Kontakte zu meiden.
Reizüberflutung beim Asperger-Syndrom
Asperger-Autisten leiden häufig unter einer Reizüberflutung. Sie reagieren empfindlich auf Geräusche, Gerüche und optische Reize und sind schnell überfordert. Bereits nach wenigen Stunden in der Öffentlichkeit sind sie erschöpft und verspüren das Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug. Die meisten Betroffenen verbringen ihre Freizeit daher vorzugsweise in den eigenen vier Wänden, um sich von den Anforderungen und Sinneseindrücken des Alltags zu erholen. Darüber hinaus schrecken viele Asperger-Autisten vor Berührungen zurück – auch vor denen der nahen Angehörigen. Körperkontakt zu Fremden – etwa im Aufzug oder in öffentlichen Verkehrsmitteln – stellt für sie daher eine besonders große Strapaze dar.
Welche Begleiterkrankungen sind typisch für das Asperger-Syndrom?
Das Asperger-Syndrom geht in vielen Fällen mit Begleiterkrankungen (Fachbegriff: Komorbiditäten) einher. Diese Erkrankungen und Störungen treten meist dann zutage, wenn der gewohnte Alltag der Betroffenen durcheinander gerät – beispielsweise durch einen Umzug, einen Jobwechsel oder auch durch den Verlust eines nahen Angehörigen. Typische Begleiterkrankungen des Asperger-Syndroms sind:
- Schlafstörungen
- ADHS
- Depressionen
- Angststörungen
- Essstörungen
- Schizophrenie
- Ticks
Wodurch wird das Asperger-Syndrom verursacht?
Die genauen Ursachen und Risikofaktoren für das Asperger-Syndrom sind wissenschaftlich noch nicht gänzlich erforscht. Studien zeigen jedoch, dass die Entwicklungsstörung familiär gehäuft auftritt. Auch ein höheres Lebensalter der Mutter oder des Vaters scheinen das Risiko für das Asperger-Syndrom, aber auch für andere autistische Störungen, zu erhöhen. Gleiches gilt für Krankheiten, Infektionen und Diabetes während der Schwangerschaft. Nimmt die werdende Mutter bestimmte Medikamente ein (vor allem Antiepileptika), kann dies die Entstehung des Asperger-Syndroms ebenfalls begünstigen. Des Weiteren haben Frühgeburten sowie Neugeborene mit zu niedrigem Blutzucker und Lungenfunktionsproblemen eine erhöhte Neigung zu autistischen Störungen.
Im Gegenzug konnten inzwischen viele Faktoren als Auslöser ausgeschlossen werden. So erhöhen die Intensität der Bindung zu den Eltern und die Art der Erziehung das Asperger-Risiko nicht. Auch starke emotionale Belastungen während der Schwangerschaft und Impfstoffe haben keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, am Asperger-Syndrom zu erkranken.
Wie wird das Asperger-Syndrom diagnostiziert?
Besteht bei Kindern der Verdacht auf das Asperger-Syndrom, können Sie zunächst Ihren Hausarzt aufsuchen. Dieser überweist Ihr Kind bei Bedarf an einen Kinder- und Jugendpsychiater. Bei Erwachsenen ist ein Facharzt für Psychiatrie der richtige Ansprechpartner. In vielen größeren Städten gibt es zudem sogenannte Autismus-Ambulanzen, in denen Sie sich beraten und gegebenenfalls testen lassen können.
Ein ausführliches Patientengespräch und die Erhebung der Krankheitsgeschichte stehen bei der Diagnose an erster Stelle. Bereits während dieses Gespräches achtet der Arzt auf typische Anzeichen, die auf das Asperger-Syndrom hinweisen können. Des Weiteren können Fremdbeobachtungen – beispielsweise durch Familienangehörige – für den Arzt sehr nützlich sein. Körperliche, neurologische und psychiatrische Untersuchungen schließen sich an. In der Regel wird routinemäßig auch ein großes Blutbild erstellt.
Es wurden verschiedene Tests entwickelt, die bei der Diagnose behilflich sein können. Sie sind allein jedoch nicht ausschlaggebend, sondern geben nur eine grobe Einschätzung. Vor allem bei Erwachsenen gestaltet sich die Diagnose oftmals schwierig, da sie sich an viele Ereignisse und typische Verhaltensweisen aus ihrer Kindheit nicht mehr erinnern können. Sie suchen den Arzt häufig aus gänzlich anderen Gründen auf, etwa wegen einer Depression oder aufgrund einer Zwangsstörung. Ein Arzt, der mit Autismus-Spektrum-Störungen vertraut ist, kann anhand der Symptome aber dennoch auf das Asperger-Syndrom schließen.
Therapiemöglichkeiten beim Asperger-Syndrom
Das Asperger-Syndrom ist nicht heilbar – allerdings hat es nicht immer einen Krankheitswert. Viele Betroffene haben sich mit ihren Symptomen arrangiert und ihren ganz individuellen Weg gefunden, den Alltag zu meistern. Je nachdem, wie stark das Syndrom ausgeprägt ist, kommt eventuell eine Verhaltenstherapie infrage. Auch Kommunikationstrainings haben sich bewährt, um die Fähigkeit der Betroffenen zur sozialen Interaktion zu stärken. Bei Kindern sollte verstärkt darauf geachtet werden, dass sie sich nicht zurückziehen, sondern stattdessen Kontakt zu Gleichaltrigen haben – beispielsweise in einem Verein. Die Reittherapie kann dazu beitragen, dass Asperger-Kinder mehr Selbstvertrauen aufbauen. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn das Asperger-Syndrom von Angstzuständen oder Zwangsstörungen begleitet wird.
Konkret geht es bei der Therapie des Asperger-Syndroms immer darum, den Betroffenen den Alltag zu erleichtern. Die Behandlung setzt sich daher aus vielen Bausteinen zusammen, die individuell auf den Patienten zugeschnitten sind. Der Arzt muss dabei viele Faktoren berücksichtigen, beispielsweise das Alter und die Lebensumstände des Betroffenen, aber auch den Schweregrad der Asperger-Störung sowie eventuelle Begleiterkrankungen.
Wie ist die Prognose beim Asperger-Syndrom?
Das Asperger-Syndrom entwickelt sich bei jedem Menschen anders – in der Regel verläuft es jedoch stabil, es ist also nicht mit plötzlichen Verschlechterungen der Symptomatik zu rechnen. Im Gegenteil: Das Kontakt- und Sozialverhalten kann sich im Laufe der Jahre durchaus verbessern, was immer auch mit einer Steigerung der Lebensqualität einhergeht. Schon allein die Stellung der Diagnose ist hilfreich, weil die Betroffenen endlich wissen, was mit ihnen ’nicht stimmt‘. Viele haben einen langen Leidensweg hinter sich, weil sie sich nie wirklich zugehörig gefühlt haben, ohne zu wissen, woran es liegt. Die Diagnose ist daher für viele Betroffenen eine Erleichterung, die sie dazu motiviert, an sich zu arbeiten und Veränderungen anzustreben.
Den Alltag mit Asperger meistern: Tipps
Wurde bei Ihrem Kind das Asperger-Syndrom diagnostiziert, lassen Sie sich am besten umfassend beraten. Auch die Lehrer sollten über die Diagnose informiert werden, damit sie angemessen auf das Kind eingehen können und typische Verhaltensweisen nicht als Trotz oder Sturheit interpretieren. Asperger-Kinder benötigen klare, bleibende Strukturen und Routinen. Außerdem sollten Sie für ausreichend Ruhephasen und Rückzugsmöglichkeiten sorgen – vor allem nach einem langen Schultag, der für ein Asperger-Kind sehr aufreibend sein kann. Nicht zuletzt gilt: Fördern Sie behutsam die sozialen Kontakte ihres Kindes, indem Sie es in einem geeigneten Verein anmelden oder regelmäßig Verabredungen zum Spielen treffen.
Erwachsene mit Asperger-Syndrom benötigen ebenfalls eine möglichst gleichbleibende Tagesstruktur. Veränderungen werden als Belastung empfunden und tragen nicht selten dazu bei, dass Betroffene sich zurückziehen, weil sie überfordert sind. Es ist daher ratsam, Tages- und Wochenpläne zu erstellen. Diese sollten jedoch stets ausreichend Freiräume für Ruhezeiten und unvorhergesehene Termine enthalten. Eine gute Planung nimmt Asperger-Autisten den Druck und hilft ihnen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
Da Personen mit Asperger-Syndrom häufig unter einer Reizüberflutung leiden, ist es empfehlenswert, große Menschenansammlungen zu meiden. Beispielsweise sollte vorzugsweise zu Zeiten eingekauft werden, in denen nur wenige Menschen unterwegs sind – also etwa am frühen Morgen oder am späten Abend.
Damit Asperger-Autisten am normalen Arbeitsalltag teilhaben können, benötigen Sie ein möglichst ruhiges Arbeitsumfeld mit vorhersehbaren Arbeitsabläufen. Viele Betroffene können sich ihre Inselbegabung zunutze machen – etwa dann, wenn sie sich leidenschaftlich mit dem Thema IT beschäftigen. Großraumbüros und Arbeitsplätze, an denen kreatives Chaos und ein hoher Geräuschpegel herrschen, sind für Personen mit Asperger-Syndrom hingegen ebenso ungeeignet wie Jobs mit viel Kundenkontakt. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann jedoch sehr hilfreich sein. Da Personen mit Asperger-Syndrom allerdings nur selten bereit und in der Lage sind, eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen, empfiehlt sich zunächst die Kontaktaufnahme im Internet – beispielsweise über Selbsthilfeforen. Allein die Erkenntnis, mit den Symptomen nicht allein zu sein, ermöglicht den Betroffenen in vielen Fällen eine gänzlich neue Herangehensweise an ihre Erkrankung.
Bildnachweise
Beitragsbild: © geralt / Pixabay
Quellen:
https://www.netdoktor.de/krankheiten/asperger-syndrom/
https://www.lifeline.de/krankheiten/asperger-syndrom-id124329.html
http://www.asperger-kinder.de/was_ist_asperger.htm