Die Mastozytose ist eine seltene Erkrankung. Ihre Inzidenz pro Jahr schätzen Wissenschaftler auf fünf bis zehn Neuerkrankungen pro eine Million Einwohner. Sie ist durch eine Vermehrung und Ansammlung von Mastzellen in einem oder mehreren Organen gekennzeichnet. Mastzellen sind an der Entzündungsreaktion sowie der Tumorabwehr beteiligt und überall im Körper zu finden. Falls sich zu viele oder veränderte Mastzellen in der Haut, im Knochenmark oder anderen Organen befinden kann dies zu starken Beschwerden führen.
Welche Formen der Mastozytose gibt es?
Man unterscheidet prinzipiell zwischen kutaner (die Haut betreffender) und systemischer (den ganzen Körper betreffender) Mastozytose. Die WHO-Klassifikation listet in beiden Kategorien verschiedene Unterformen auf:
Kutane Mastozytose:
- makulopapulöse kutane Mastozytose
- diffuse kutane Mastozytose
- Mastozytom der Haut
Systemische Mastozytose:
- indolente systemische Mastozytose
- systemische Mastozytose mit hämatologischer Neoplasie
- aggressive, systemische Mastozytose
- Mastzellleukämie
- xtrakutanes (gutartiges) Mastozytom
- Mastzellsarkom
Das Mastzellsarkom ist eine Rarität innerhalb der Mastozytosen mit bisher wenigen Fällen weltweit. Es ist durch einen zunächst lokalisierten Mastzelltumor und einen späteren generalisierten, leukämischen Verlauf gekennzeichnet.
Was sind Ätiologie und Pathogenese der Mastozytose?
Kinder machen zwei Drittel der Mastozytosepatienten aus, ein Drittel sind Erwachsene. Die kutane Mastozytose tritt überwiegend im Kindesalter auf. Im Normalfall kommt es in diesen Fällen jedoch zu keiner systemischen Infiltration durch Mastzellen. Bei den meisten erwachsenen Mastozytosepatienten liegt ein Auslöser der Erkrankung in einer Fehlfunktion des Stammzellfaktor-Rezeptors. Es handelt sich dabei um einen Rezeptor, der an der Mastzellentwicklung beteiligt ist. Fast immer ist bei diesen Patienten das Knochenmark betroffen, seltener werden Mastzellansammlungen in der Milz, Leber oder anderen Organen nachgewiesen. Die Ursache der Fehlfunktion ist in über 80 Prozent der Fälle eine Mutation im KIT-Gen, welches für diesen Stammzellfaktor codiert. Diese sogenannte KIT D816V-Mutation kann jedoch nicht alle klinischen Manifestationen der Krankheit erklären.
Was sind die Symptome der Mastozytose?
Die Symptome der Mastozytose sind auf eine gesteigerte Freisetzung von Mastzellmediatoren zurückzuführen. Diese Mediatoren – beispielsweise Histamin, Leukotriene und Zytokine – führen zu der klassischen inflammatorischen Symptomatik. Neben Pruritus (Juckreiz), Quaddeln auf der Haut und Anaphylaxien klagen Patienten über unspezifische Symptome wie gastrointestinale Beschwerden, Schwindel und Kopfschmerzen. Darüber hinaus werden Übelkeit, anfallsartige Diarrhoen, Abgeschlagenheit und eine muskuloskeletale Symptomatik beschrieben. Im Fall einer kutanen Mastozytose sammeln sich Mastzellen überwiegend als kleine, indolente, rötlichbraune Flecken an. Diese wurden historisch ‚Urticaria pigmentosa‚ genannt. Bei Erwachsenen sind diese Effloreszenzen im Normalfall kleiner als 0,5 cm. Sie treten zu Beginn hauptsächlich an Rumpf und Oberschenkeln auf. Bei Kindern können sie überall am Körper auftreten und sind größer (zwischen 0,5 bis 3 cm). Mittlerweile hat sich die neue Bezeichnung beider Formen als ‚makulopapulöse kutane Mastozytose‚ eingebürgert. Entsteht diese im Erwachsenenalter kann eine Entwicklung zur systemischen Mastozytose nicht ausgeschlossen werden. Bei Kindern vor dem 6. Lebensmonat beobachten Ärzte auch sogenannte kutane Mastozytome. Dabei handelt es sich um eine einzelne Akkumulation von Mastzellen in der Haut. Bei der seltenen, aggressiven systemischen Mastozytose zeigen sich eine Vergrößerung von Leber und Milz (Hepatosplenomegalie), eine Verminderung der Blutzellen (Zytopenie) und Skelettläsionen aufgrund der exzessiven Mastzellvermehrung. Auch Malabsorptionssymptome und Knochenabbau (Osteolyse) werden beschrieben. Ein erstes Symptom einer Mastozytose können daher auch unerklärliche Frakturen sein.
Wie wird die Mastozytose diagnostiziert?
Die Diagnose der Mastozytose gestaltet sich oft schwierig, weil die Symptome unspezifisch sind und somit vielen anderen Krankheitsbildern zugeordnet werden können. Das sogenannte ‚Mastzellaktivierungssyndrom‚ zeigt beispielsweise durch eine reaktive Proliferation der Mastzellen ein ähnliches Krankheitsbild. Daher sollte die Diagnose gemäß den WHO-Kriterien gesichert werden. Dies beinhaltet immunhistochemische, molekulare sowie histologische Untersuchungen.
Bei einem Verdacht auf Mastozytose geht man in der Regel in vier Schritten vor:
1. Zunächst wird die Serum-Tryptase bestimmt
2. Darüber hinaus wird die Haut dermatologisch untersucht, um eine kutane Mastozytose nachzuweisen oder auszuschließen
3. Es erfolgt eine histologische Untersuchung des Knochenmarks oder eines anderen Gewebes (z.B. Schleimhaut aus dem Gastrointestinaltrakt)
4. Zusätzlich wird eine molekulare Untersuchung des Gewebes vorgenommen (zum Nachweis oder Ausschluss einer KIT-Mutation)
Das Hauptkriterium einer Mastozytose ist der Nachweis von kompakten Mastzellinfiltraten. Ein weiteres Kriterium sind Mastzellen mit einem atypischem Immunphänotyp und der Expression von CD25. Dies ist ein Antigen, welches im Normalfall nicht auf der Oberfläche von Mastzellen zu finden ist. Bei der feingeweblichen Untersuchung ist daher ein Nachweis kompakter Infiltrate mit mehr als 25 Prozent spindelförmigen (oder CD25-positiven) Mastzellen erforderlich. Ein erhöhter Serum-Tryptasewert im Blut ist ein weiteres Nebenkriterium. Darüber hinaus wird in den meisten Fällen durch molekulare Untersuchung des Gewebes der Verdacht auf die KIT D816V-Mutation gesichert. Während der körperlichen Untersuchung kann bei der kutanen Mastozytose ein sogenanntes ‚Darier-Zeichen‚ auffallen: Eine mechanische Reizung der Hautläsionen führt zur Freisetzung der Mastzellmediatoren, wodurch juckende Urtikaria der Haut entstehen. Bei manchen Patienten werden spezielle Veränderungen des Blutbildes wie beispielsweise eine Eosinophilie, Monozytose oder eine Vermehrung von Blasten diagnostiziert. Dies kann ein Hinweis auf eine systemische Mastozytose mit einer assoziierten hämatologischen Erkrankung sein. Differenzialdiagnostisch kommt ein breites Spektrum an Erkrankungen, wie entzündliche Darmerkrankungen, Autoimmunerkrankungen oder ein neuroendokriner Tumor in Frage. Darüber hinaus sollten hämatologische Neoplasien – insbesondere andere Leukämieformen – ausgeschlossen werden.
Wie wird die Mastozytose therapiert?
Sofern die Mastozytose nicht ausschließlich die Haut betrifft, ist sie unheilbar. Normalerweise sprechen die durch Histamin vermittelten Symptome der Mastozytose gut auf gängige Antihistaminika an. Reichen diese nicht aus, können sie durch Mastzellstabilisatoren – wie Cromoglicinsäure und Leukotrienantagonisten – ergänzt werden. Darüber hinaus kommen Kortikosteroide zur Behandlung infrage, welche sich insbesondere zur Prophylaxe häufiger Anaphylaxien anbieten. Zusätzlich zu Antihistaminika sind gegen gastrointestinale Beschwerden Protonenpumpenhemmer empfehlenswert und der Patient sollte versuchen, histaminreiche Lebensmittel zu vermeiden.
Gastrointestinale und dermatologische Beschwerden sind mit Interferon-alpha – eventuell in Kombination mit Kortikosteroiden – behandelbar. In dem Fall sollten mögliche Nebenwirkungen (z.B. Fieber, Neutropenie, Depression) beachtet werden. Dasselbe gilt für schwerwiegende Nebenwirkungen, die durch eine längere Einnahme von Kortikosteroiden verursacht werden können. Progressive Formen der systemischen Mastozytose wie die Mastzellleukämie sind lebensbedrohlich. Bei allen schwerwiegenden Erkrankungen sollte daher die internistische Betreuung durch einen Hämatoonkologen ergänzt werden. Hier ist erneut die Diagnose entscheidend: Der Multikinaseinhibitor Imatinib hat keine Wirkung bei Patienten mit D816V-Mutation, stattdessen wird Cladribin eingesetzt. Patienten mit einer Mastzellleukämie oder einer aggressiven systemischen Mastozytose sprechen häufig auf Midostaurin an. Es handelt sich dabei um einen Kinaseinhibitor, der das Wachstum der malignen Zellen hemmt. Darüber hinaus werden Stammzelltransplantationen vorgenommen. Neue Daten geben Hinweise darauf, dass Brentuximab bei CD30-positiver Mastzellleukämie und aggressiver systemischer Mastozytose vielversprechend sein könnte. Brentuximab ist ein monoklonaler CD30-Antikörper, welcher ein Zytostatikum in die Zellen einschleust und somit deren Apoptose einleitet. Die Therapie des Mastzellsarkoms ist kompliziert. In Frage kommt eine Kombinationstherapie aus KIT-Inhibitoren, Cladribin und Knochenmarktransplantationen.
Eine günstige Prognose besteht für Patienten mit kutaner und indolenter systemischer Erkrankung. In der Regel ist ihre Lebenserwartung nicht verkürzt. Tritt die kutane Mastozytose bereits im Kindesalter auf kommt es in über der Hälfte der Patienten zu einer spontanen Remission noch vor Erreichen der Adoleszenz. Falls Neoplasien existieren, ist deren Ausprägung für die Prognose entscheidend. Eine systemische Mastozytose mit einer hämatologischen Neoplasie wird anhand der Leitlinien der jeweiligen Neoplasie behandelt.
Was kennzeichnet das Leben mit Mastozytose?
Die Mastozytose tritt im Gegensatz zur Allergie chronisch und nicht episodenhaft in Erscheinung. Die Patienten müssen über mögliche Triggerfaktoren Bescheid wissen: physikalische Reize, scharfe und heiße Speisen, (emotionaler) Stress, Alkohol, Medikamente und Infektionen (bakteriell und viral) können die Symptome einer Mastozytose verstärken.
Von besonderer Bedeutung für Patienten ist darüber hinaus ihre erhöhte Neigung zu Anaphylaxien. Die Auslöser können beispielsweise Nahrungsmittel, Insektenstiche, Medikamente, lokale Anästhesien und Narkosen sein. Patienten, die an einer Mastzellerkrankung leiden sollten eine Adrenalin-Fertigspritze mitführen. Im Fall von anaphylaktischen und anaphylaktoiden Reaktionen ist eine Notfallbehandlung unerlässlich.
Quellen
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Horny, Hans-Peter (2008). Mastozytose – eine Erkrankung der hämatopoetischen Stammzelle. Deutsches Ärzteblatt, 105(40), 686-92.
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