Polyneuropathie ist eine Erkrankung des Nervensystems deren Symptome so vielfältig sein können wie auch ihre Auslöser. Bisher wurden rund 300 verschiedene Auslöser identifiziert, die von chronischen Erkrankungen bis hin zu Alkoholismus gehen. Die Nervenerkrankung ist dadurch in vielen Fällen eine vermeidbare Krankheit. Die Symptome sind stark abhängig von der jeweiligen Körperregion, die von dieser Erkrankung betroffen ist. Hauptsymptome sind unter anderem eine Störung der Sensibilität der Haut oder auch Geschwüre, die sich bilden können.
Was ist Polyneuropathie?
Bei der Polyneuropathie handelt es sich um eine Erkrankung bzw. Schädigung der peripheren Nervenzellen. Dabei handelt es sich um jene Zellen, die für die Reizweiterleitung etwa beim Tasten verantwortlich sind. Zu Beginn der Erkrankung spüren die Patienten meist nur ein Kribbeln in den betroffenen Körperregionen oder haben ein Taubheitsgefühl. Der Grad der Schädigung hängt häufig auch von dem Auslöser von Polyneuropathie und dem Lebensalter der Patienten ab.
Bei der Erkrankung wird häufig zwischen drei unterschiedlichen Typen unterschieden:
Die akute Polyneuropathie tritt sehr rasch auf und beginnt in den Beinen. Der Empfindungsverlust setzt sich bis zu den Armen fort und betrifft häufig auch die Organe, wie die Lunge. Dies kann in weiterer Folge sogar zu einer Ateminsuffizienz führen.
Bei der chronischen Form der Polyneuropathie kommt es ebenfalls zu einem Empfindungsverlust, der jedoch lediglich auf Hände und Füße konzentriert ist. Durch den anhaltenden Verlust von Empfindungen können Patienten oft nicht mehr richtig stehen oder sich bewegen, da sie auch die Gelenke nicht mehr spüren. Dies führt in weiterer Folge auch zu einem Muskelabbau, da die betroffenen Personen in ihrer Bewegung stark eingeschränkt sind.
Die dritte Form ist angelehnt an ihren Auslöser, die diabetische Polyneuropathie. Sie wird durch Diabetes mellitus ausgelöst und im Gegensatz zu anderen Varianten der Polyneuropathie reagieren geschädigte Nervenzellen mit einem erhöhten Schmerz. Patienten berichten häufig von einem schmerzhaften Brennen bzw. Kribbeln und sind auch empfindlicher, was die Änderung der Temperaturen betrifft. Ist die Witterung sehr heiß oder kalt kann das zu verstärkten Schmerzen führen.
Welche Nervenzellen werden geschädigt?
Nervenzellen bestehen aus einem Zellkörper und einem Nervenfortsatz. Dieser Fortsatz kann bis zu einem Meter lang sein und ist vergleichbar wie ein Kabel. Um diesen Fortsatz befindet sich eine Isolierschicht, der unter anderem das Innere des Nervenfortsatzes schützen soll. Außerdem beschleunigt diese Schicht auch die Weiterleitung von elektrischen Impulsen.
Je nach Variante der Polyneuropathie können entweder die Isolierschicht oder das Innere des Nervenfortsatzes von der Erkrankung betroffen sein. In einigen Fällen kann es auch zu einer kombinierten Schädigung kommen. In diesem Fall ist der Nervenfortsatz in seiner Gesamtheit geschädigt.
Wie äußert sich Polyneuropathie?
Neben den Nerven, die für Empfindungen über die Haut verantwortlich sind und auch die Muskelkontraktion auslösen, können auch innen liegende Nerven betroffen sein. Zu den betroffenen autonomen Nerven gehören beispielsweise jene der Atem- oder Verdauungsorgane. Ob motorische, autonome oder sensible Symptome auftreten, hängt mit der Form der Schädigung und welche Körperpartie betroffen ist, zusammen. Ist beispielsweise nur ein Bein oder ein Arm betroffen, wird dies auch als asymmetrische Polyneuropathie bezeichnet.
Bei sensiblen Störungen sind hauptsächlich die Nerven der Haut betroffen. Dies leiten Reize über die Haut an das Gehirn weiter. Bei einer Störung ist beispielsweise der Tastsinn stark eingeschränkt. Die Patienten können nicht mehr richtig Fühlen und auch ihre Wahrnehmung von heißen oder kalten Einflüssen ist massiv eingeschränkt.
Neben Missempfindungen und einem Taubheitsgefühl kann auch genau das Gegenteil auftreten. Es kommt zu einer Überreizung der Nerven, was sich in einem schmerzhaften Kribbeln oder Brennen äußert.
Vor allem das Missempfinden kann zu weiteren Schädigungen führen. Die Patienten verletzen sich häufiger durch heißes Wasser oder erleiden Erfrierungen, weil sie Kälte nicht mehr richtig empfinden können. Durch die verringerte Wahrnehmung über den Tastsinn kann es auch zu Gleichgewichtsstörungen und in Folge schweren Stürzen kommen, wann von der Polyneuropathie die Füße betroffen sind.
Betrifft die Polyneuropathie das motorische Empfinden, dann kommt es zu einer fehlerhaften Weiterleitung von Impulsen zwischen Gehirn und der Skelettmuskulatur. Es bleiben Befehle des Gehirns aus, die eine Muskelkontraktion veranlassen bzw. es kommt zu falschen Signalen, was wiederum zu Muskelkrämpfen führen kann. Durch das Ausbleiben von Signalen werden die Muskeln nicht mehr oder nur noch kaum beansprucht, weil keine Kontraktion mehr stattfindet. Dies führt in weiterer Folge zu einem Muskelabbau bis hin zu Lähmungen in den betroffenen Gelenksbereichen.
Sind autonome Nerven, die für die Reizweiterleitung zur Steuerung von inneren Organen verantwortlich sind, kann dies sehr rasch zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Während bei der motorischen und sensiblen Störung die grundlegenden Körperfunktionen nicht betroffen sind, kann eine verminderte oder ausbleibende Reizweiterleitung bei Herz oder Lunge innerhalb kürzester Zeit den Tod bedeuten. Auch Patienten, deren Verdauungstrakt oder die Geschlechtsorgane betroffen sind, haben massive Einschränkungen zu befürchten. Durch die Vielzahl an unterschiedlichen Organen, die betroffen sein können, sind auch die Symptome sehr unterschiedlich. Das können beispielsweise Verdauungsprobleme sein, Probleme mit der Atmung oder Störungen des Herzrhythmus.
Neben den betroffenen Körperregionen werden die Symptome auch aufgrund ihres Auslösers kategorisiert. Dazu gehören beispielsweise Symptome wie unbemerkte kleinere Verletzungen oder brennende Schmerzen in den Füßen bei Diabetes als Auslöser. Eine alkoholbedingte Polyneuropathie geht meist mit Sehstörungen oder der Lähmung der Augenmuskulatur einher.
Was begünstigt Polyneuropathie?
Aufgrund der rund 300 verschiedenen möglichen Auslöser ist nahezu jeder Mensch indirekt von einer Polyneuropathie gefährdet, vor allem jene, die einen sehr einseitigen Lebensstil haben. Teilweise sind die Auslöser auch nicht bekannt oder noch nicht erforscht. Unterschiedliche Erkrankungen begünstigen in weiterer Folge eine Polyneuropathie
Zu diesen Erkrankungen gehören beispielsweise autoimmun Erkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom. Die Lyme-Borreliose, AIDS oder Typhus sind ebenfalls mögliche Erkrankungen, die in weiterer Folge zu einer Polyneuropathie führen können
Auslöser, bei denen der Lebensstil der Patienten die Ursache ist, sind beispielsweise übermäßiger Alkoholkonsum, mangelnde Aufnahme von Vitamin B1 und B12 sowie Vitamin E. Vor allem eine Polyneuropathie durch den Mangel an Vitamin B12 tritt immer häufiger auf, aufgrund von Ernährungspräferenzen. Dieses Vitamin ist in tierischen Produkten zu finden und durch den Verzicht von tierischen Lebensmitteln wie bei einer vegetarischen oder veganen Ernährungsform kann es ohne zusätzliche Supplementierung zu einer Polyneuropathie kommen. Durch eine erneute Aufnahme bzw. einer Ernährungsumstellung ist diese Form der Polyneuropathie häufig sehr gut behandelbar.
Wie erfolgt eine Diagnose?
Im ersten Schritt stellen die Patienten häufig selbst fest, dass etwas nicht mit der Empfindung stimmt oder sie motorisch eingeschränkt sind. Etwas problematischer ist es bei einer Polyneuropathie, die die Organe betrifft, da diese Symptome nicht selten auf andere Ursachen geschoben werden. Die Patienten gehen dadurch viel zu spät zum Arzt.
Stellen die betroffenen Patienten Symptome wie Kribbeln oder ein gestörtes Empfinden fest, wird in der Regel ein Arzt aufgesucht. In einem ersten Gespräch werden mögliche andere Faktoren ausgeschlossen. Nach der Aufnahme der Anamnese wird auch geklärt, ob es in der Familie mögliche Erkrankungen gibt, die vererbbar sind und ebenfalls eine Polyneuropathie begünstigen. Vor allem der Lebensstil wird beim ersten Gespräch mit dem Arzt ausführlich durchleuchtet. Hier ist es vor allem wichtig, dass die Patienten auch ehrlich sind, was etwa den Konsum von Zucker, Alkohol und Drogen anbelangt.
In weiterer Folge werden unterschiedliche Untersuchungen durchgeführt, bei dem es zu einer Stimulierung der Nerven kommt und überprüft wird, wie gut die Leitfähigkeit ist. Zudem werden auch weitere Tests wie Bluttest durchgeführt, um andere Erkrankungen wie Diabetes oder einen Vitaminmangel auszuschließen. Selbst genetische Untersuchungen sind denkbar, wenn in den Standarduntersuchungen noch keine Ursachen festgestellt werden konnten. Wie umfangreich und aufwendig die Tests und Untersuchungen ausfallen, ist immer abhängig davon, welche Symptome aufgetreten sind und wie rasch ein Auslöser festgemacht werden kann.
Welche Möglichkeiten zur Behandlung gibt es?
Wie eine Behandlung erfolgt, ist immer abhängig von der Form der Symptome und von der Ursache. Kommt es durch einen Mangel an Vitaminen oder einem unausgewogenen Lebensstil zu einer Polyneuropathie, kann dies meist sehr rasch und unkompliziert behandelt werden, wenn nicht zu lange damit gewartet wird. Je nach Grad der Schädigung der Nervenzellen sind Patienten oft in mehreren Wochen wieder vollständig hergestellt. Nervenzellen können sich regenerieren, es dauert jedoch sehr lange. Daher sollten die betroffenen Personen nicht zu lange damit warten einen Arzt aufzusuchen.
Häufig können aber lediglich die Symptome bekämpft werden, vor allem wenn unterschiedliche Vorerkrankungen die Ursache sind. In diesem Fall erhalten die Patienten geeignete Mittel zu Linderung der Schmerzen oder entkrampfende Mittel, um Muskelkrämpfen vorzubeugen.
Daneben gibt es auch unterschiedliche physiotherapeutische Ansätze, die die Reizfähigkeit der Nerven verbessern sollen, aber auch vor allem bei motorischen Störungen verhindern, dass die Muskeln zu rasch abbauen. Viele davon können die Patienten sogar selbst durchführen, wie wechselwarme Bäder oder gezielte Bewegungsübungen, die die Muskulatur stimulieren und fördern.
Wie sehen Verlauf und Prognose aus?
Grundsätzlich haben jene Patienten, die möglichst rasch handeln, bessere Aussichten auf Heilung oder zumindest dem Erhalt der verbliebenen Nerventätigkeit. Bei sehr vielen Auslösern lässt sich die Krankheit stark beeinflussen, wodurch die Patienten fast gänzlich wiederhergestellt werden können.
Problematischer ist es, wenn eine Polyneuropathie als Begleiterscheinung von anderen Krankheiten auftritt. Hier muss in erster Linie die ursächliche Krankheit behandelt werden. Erst im zweiten Schritt wird die Polyneuropathie behandelt. Daher werden anfangs meist nur Medikamente zur Linderung der Symptome verabreicht. Lediglich bei irreversiblen Nervenschäden durch eine Polyneuropathie ist eine gänzliche Wiederherstellung ausgeschlossen. In diesem Fall sind die Patienten meist auf mechanische Hilfsmittel angewiesen, die sie etwa bei der Bewegung oder ihre Organe unterstützen.
Lässt sich Polyneuropathie vorbeugen?
In vielen Fällen lässt sich Polyneuropathie nicht vorbeugen – es können lediglich die Symptome gelindert werden. Dazu gehört beispielsweise die Polyneuropathie als Begleiterscheinung von Krebserkrankungen. Durch die Krebstherapie und die verabreichten Medikamente kann es zu einer Schädigung der Nerven kommen. Dies ist auch bei anderen Formen der Polyneuropathie, die durch Erkrankungen begünstigt werden, der Fall.
Gegen andere Auslöser der Polyneuropathie lässt sich sehr wohl vorbeugen. Es sollte beispielsweise auf übermäßigen Genuss von Alkohol verzichtet werden. Der Verzicht auf viel Zucker kann Diabetes und damit nicht nur der Polyneuropathie, sondern auch anderen Begleiterscheinungen vorgebeugt werden. Grundsätzlich ist ein ausgewogener Lebensstil die beste Vorbeugung gegen diese Erkrankung.
Kommt es etwa zu einem erhöhten Risiko durch bestimmte Erkrankungen wie Diabetes, dann sollte vermehrt drauf geachtet werden den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren. Je exakter dieser an den Normalwerten ist, umso geringer ist das Risiko an Begleiterscheinungen wie der Polyneuropathie zu leiden.
Generell ist der regelmäßige Gang zu Vorsorgeuntersuchungen ebenfalls ein wichtiger Baustein dieser Nervenerkrankung vorzubeugen. Im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen werden unter anderem die Blutwerte überprüft, wodurch frühzeitig ein erhöhtes Risiko einer Polyneuropathie aufgrund etwa von Vitaminmangel festgestellt werden kann. Im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen werden auch Vorerkrankungen oder vererbte Auslöser einer Polyneuropathie geklärt. Sind solche mögliche Auslöser früh bekannt, achten Risikopatienten verstärkt auf die Symptome. Dies kann ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung der Erkrankung sein, denn schwerwiegende Folgen treten durch die Polyneuropathie meist deshalb auf, weil die betroffenen Personen die Anzeichen zu spät erkennen.
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Quellen
https://www.msdmanuals.com/de/heim/st%C3%B6rungen-der-hirn-,-r%C3%BCckenmarks-und-nervenfunktion/erkrankungen-des-peripheren-nervensystems/polyneuropathie
https://www.zeileis.at/symptome-diagnosen/polyneuropathie
https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/erkrankungen/polyneuropathie/ursachen-risikofaktoren/
https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/?contentid=10007.791844
https://gesund.co.at/medizinlexikon-polyneuropathien-12129/
https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/neuropathie/neuropathie-vorbeugung.php
https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/nebenwirkungen-der-therapie/neuropathie-nervenschaeden-bei-krebs.html
https://www.praxisvita.de/einigen-polyneuropathie-ursachen-laesst-sich-vorbeugen-5813.html
https://www.beobachter.ch/gesundheit/krankheit/polyneuropathie
https://www.autoimmunerkrankungen.org/polyneuropathie/