Wenn sich plötzlich alles um Sie herum dreht oder der Boden zu schwanken scheint, ist meist Schwindel (Vertigo) der Auslöser. Fast jeder Mensch erlebt im Laufe seines Lebens einmal einen Schwindelanfall. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für die Attacken. In den meisten Fällen sind sie zwar unangenehm, medizinisch gesehen aber harmlos und verschwinden von selbst. Nur selten ist Schwindel Ausdruck einer ernsthaften Erkrankung. Für Betroffene stellt er jedoch ein großes Problem dar, das ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigt – vor allem, wenn er häufig auftritt oder länger anhält. Lesen Sie, was Schwindel ist, was ihn auslösen kann und welche Behandlungen Ihnen bei anhaltenden Beschwerden helfen können.
Definition: Schwindel
Schwindel ist keine Krankheit, sondern ein Symptom. Genauer gesagt handelt es sich um ein sogenanntes multisensorisches Syndrom, bei dem eine Störung der „Sinne“ wie dem Gleichgewichtssinn vorliegt. Schwindel kann Sekunden, Minuten, Stunden oder Tage andauern und einmalig, wiederkehrend oder chronisch (permanent) auftreten.
Wie äußert sich Schwindel?
Schwindel ist gekennzeichnet durch Wahrnehmungs– und Gleichgewichtsstörungen. Diese führen dazu, dass Sie Ihre Körpersicherheit im Raum verlieren. Abhängig vom Auslöser kann sich das Schwindelgefühl auf unterschiedliche Weise äußern:
- Drehschwindel: vergleichbar mit der Fahrt auf einem Karussell
- Liftschwindel: wie das Gefühl bei einer Fahrt mit dem Aufzug
- Schwankschwindel: ein Hin und Her wie auf einem Schiff
Während eines Schwindelanfalls nehmen Patienten Scheinbewegungen wahr und erleben ein Augenzittern (Nystagmus). Sie neigen zum Fallen und berichten häufig von begleitenden Beschwerden wie Angst, Herzrasen, Schwitzen, Übelkeit oder Erbrechen. In einigen Fällen leiden Betroffene während eines Schwindelanfalls unter Schwerhörigkeit, Schluckstörungen, Kopfschmerzen oder Kreislauf-Problemen. Manchen wird während der Attacke „schwarz vor Augen“, andere sehen Doppelbilder oder empfinden ein Taubheitsgefühl in einer Gesichtshälfte. Welche Begleitsymptome mit dem Schwindel einhergehen, ist vor allem abhängig von der Ursache des Schwindels und deshalb von großer Bedeutung für die Diagnostik.
Welche Ursachen hat Schwindel?
Schwindel ist meistens ein neurootologisches Problem, also eine Störung der Sinne. Die mit ihm einhergehenden Beschwerden entstehen meist, weil die verschiedenen Sinnesorgane (Augen, Gleichgewichts- und Tastsinn) widersprüchliche Informationen an das Gehirn liefern. Es kann jedoch auch sein, dass das Gehirn die ihm gemeldeten Sinneseindrücke aufgrund einer Durchblutungsstörung oder eines Nährstoffmangels nicht richtig verarbeiten kann. Das kann verschiedene Gründe haben, die zwar meistens harmlos sind, in seltenen Fällen aber auch lebensbedrohlich sein können und einer schnellen ärztlichen Behandlung bedürfen.
Ist der Schwindel beispielsweise Folge übermäßigen Alkoholkonsums oder tritt als Nebenwirkung von Medikamenten auf, verschwindet er in der Regel von selbst, sobald der Alkohol abgebaut oder das Medikament abgesetzt ist. Schwindel kann auch nach einem Unfall (z. B. durch ein Schleudertrauma nach einem Auffahrunfall) oder einer Verletzung (z. B. der Halswirbelsäule) auftreten. Ebenso können die Anfälle Anzeichen von Erkrankungen des Gehirns, des Herz-Kreislaufsystems, der Wirbelsäule, einer Entzündung des Gleichgewichtsnervs oder einer Störung des Gleichgewichtsorgans im Innenohr sein. Nachfolgend stellen wir Ihnen die häufigsten Schwindelformen und ihre Auslöser vor.
Gutartiger Lagerungsschwindel
Der gutartige Lagerungsschwindel (auch benigner oder paroxysmaler Lagerungsschwindel genannt) ist – wie der Name schon sagt – von der Lagerung des Körpers abhängig bzw. durch Änderungen der Lagerung auslösbar. Er kann zum Beispiel beim Umdrehen im Bett, bei abrupten Drehbewegungen des Kopfes oder beim Bücken auftreten. Betroffene nehmen den Lagerungsschwindel als starke Drehbewegung (wie im Karussell) wahr. Die Anfälle können von wenigen Sekunden bis zu einer Minute dauern und verschwinden von selbst. Neben dem Schwindelgefühl kann der gutartige Lagerungsschwindel von weiteren Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Nystagmus, Schweißausbrüchen und Angstgefühlen begleitet sein.
Ursächlich für den gutartigen Lagerungsschwindel sind verrutschte Otolithen (Ohrensteine) in den Bogengängen der Ohren. Sie lassen sich in den meisten Fällen durch spezielle Manöver (Epley– und Sémont-Manöver), die Sie unter Anleitung eines Arztes zuhause durchführen, in ihre ursprüngliche Positionen zurückbefördern. Hilft das nicht auf Anhieb, besteht die Möglichkeit, den Schwindel und die damit verbundenen Symptome durch die vorübergehende Verabreichung von Medikamenten zu lindern. In jedem Fall ist bei länger anhaltenden Beschwerden eine Abklärung durch einen HNO-Arzt ratsam.
Anhaltender Drehschwindel
Bei der Neuritis vestibularis (anhaltender Drehschwindel) kommt es zu wiederholt auftretenden Schwindelanfällen, die in ihrer Intensität unterschiedlich sein können. Die Ursache ist meist eine funktionelle Störung oder ein Ausfall des Gleichgewichtsorgans auf einer Seite, die häufig auf eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs (wahrscheinlich durch Herpes-Viren) zurückzuführen ist. Typisch für die Neuritis vestibularis ist ein starkes Krankheitsgefühl der Betroffenen, das mit Übelkeit, Erbrechen, Nystagmus, Fallneigung und einem ausgeprägten Angstgefühl einhergehen kann. Häufig treten die Symptome auch in Ruhe auf.
In der Regel klingen die Beschwerden nach ein bis zwei Wochen von selbst ab. Eine eingehende Untersuchung durch einen HNO-Arzt ist bei anhaltendem Schwindelgefühl aber dennoch ratsam, um ernste Ursachen wie einen Schlaganfall oder eine Hirnblutung sicher ausschließen zu können.
Somatoformer oder psychogener Schwindel
Der sogenannte nicht-organische (auch: somatoforme oder psychogene) Schwindel hat psychische Ursachen. Er tritt zum Beispiel bei Menschen mit Angststörungen, Depressionen, Panikattacken, posttraumatischen Belastungsstörungen oder psychosozialem Stress auf. Betroffene verspüren in gewissen Situationen oder auch dauerhaft einen Dreh- oder Schwankschwindel, der zu einer Stand- und/oder Gangunsicherheit, und nicht selten zu einem Vermeidungsverhalten führt. Letzteres sorgt dafür, dass sich eine Erwartungshaltung vor auslösenden Situationen aufbaut und der Schwindel aufrecht erhalten wird.
Die Diagnose somatoformer oder psychogener Schwindel lässt sich nur im Ausschlussverfahren stellen. Dazu wird zunächst von einem HNO-Arzt untersucht, ob das Gleichgewichtsorgan im Innenohr intakt ist, die Hirnstrukturen keine Auffälligkeiten zeigen und auch sonst keine körperlichen Erkrankungen für den Schwindel infrage kommen. Kann all das ausgeschlossen werden, muss ein klar erkennbarer psychischer Auslöser (z. B. Depressionen) vorliegen, um die Diagnose nicht-organischer Schwindel stellen und mit einer Behandlung beginnen zu können. Diese kann in einer medikamentösen Behandlung, einer Psychotherapie oder einer Kombination aus beidem bestehen.
Morbus Menière
Die Menière-Krankheit ist auf einen Überdruck im Innenohr zurückzuführen, der unterschiedliche Symptome auslöst. Kennzeichnend ist der plötzlich auftretende Drehschwindel, der zwischen wenigen Minuten und mehreren Stunden andauern kann. Häufig ist der Schwindel so stark ausgeprägt, dass die Betroffenen eine akute Fallneigung haben und sich für die Dauer des Anfalls hinlegen müssen. Begleitet wird das Schwindelgefühl von Ohrensausen (Tinnitus) und einem verminderten Hörvermögen. Die drei Symptome treten bei der Menière-Krankheit für gewöhnlich gemeinsam auf, was die Diagnose für den Arzt vereinfacht. Weitere Beschwerden bei einem akuten Schwindelanfall können Übelkeit, Erbrechen, Nystagmus und Schweißausbrüche sein.
Die Behandlung von Morbus Menière besteht darin, die akuten Beschwerden eines Schwindelanfalls durch die Gabe von Medikamenten abzumildern und erneuten Attacken durch die Gabe von Arzneistoffen wie Betahistin vorzubeugen.
Zentraler Schwindel
Sogenannte zentrale Schwindelformen sind zurückzuführen auf Durchblutungsstörungen im Gehirn (zum Beispiel bei einem Schlaganfall oder Arteriosklerose), auf akute Blutungen sowie Entzündungen oder Tumore, die das Gleichgewichtszentrum, die Gleichgewichtsnerven oder das Kleinhirn schädigen. Kennzeichnen für den zentralen Schwindel ist, dass er meist plötzlich auftritt und von schweren körperlichen Symptomen wie Taubheitsgefühlen und/oder Lähmungserscheinungen sowie Seh-, Schluck- und Sprechstörungen begleitet wird. Typisch für den zentralen Schwindel ist zudem häufig ein richtungswechselnder Nystagmus. Je nach Auslöser kann die Dauer der Schwindelanfälle von wenigen Sekunden bis mehrere Tage reichen.
Wichtig: Setzt der Schwindel plötzlich und ohne erkennbare Ursache ein und wird von einem oder mehreren der genannten Symptome begleitet, sollten Sie umgehend einen Arzt oder eine Klinik aufsuchen oder den Notruf wählen.
Es gibt noch zahlreiche weitere Erkrankungen, bei denen Schwindelanfälle zu den Symptomen gehören (können). Deshalb können mögliche Ursachen für Schwindel auch sein:
- bestimmte Augenerkrankungen
- Herzrhythmusstörungen
- zu hoher oder zu niedriger Blutdruck
- Polyneuropathie (auch im Rahmen einer Diabetes-Erkrankung)
- Multiple Sklerose
- vestibuläre Migräne
- Epilepsie
- Alzheimer- und andere Demenz-Erkrankungen
Was können Sie selbst gegen Schwindel tun?
Da Schwindel viele unterschiedliche Ursachen haben kann, sollten Sie anfangs nicht versuchen, sich selbst zu behandeln. Suchen Sie stattdessen einen Arzt auf, um den Auslöser der Symptome abklären zu lassen. Nur so ist eine adäquate Behandlung möglich. Wenn Sie wissen, dass Sie unter gelegentlichen Schwindelanfällen leiden und die Ursache dafür bekannt ist, können Sie durch einige vorbeugende Maßnahmen das Auftreten der Schwindelattacken verhindern oder abmildern. Dazu zählen unter anderem:
- Alkohol nicht oder nur in Maßen konsumieren
- ausreichend schlafen (etwa zwischen sechs und zehn Stunden pro Nacht)
- ausgewogene Ernährung (Gemüse, Obst, Fleisch und Vollkornprodukte)
- ausreichende Flüssigkeitszufuhr (mindestens 2 Liter pro Tag)
- gymnastische Gleichgewichtsübungen
- überflüssige Pfunde reduzieren
- Spaziergänge an der frischen Luft
- Sportliche Betätigung
- Stress reduzieren
- Tabak vermeiden
Achtung: Da Schwindelanfälle nicht vorhersagbar sind und jederzeit auftreten können, ist Ihre Fahrtüchtigkeit eingeschränkt! Solange die Ursache des Schwindels nicht geklärt ist und eine entsprechende Behandlung begonnen wurde, sollten Sie unbedingt – zu Ihrer eigenen und der Sicherheit anderer – auf das Führen von Fahrzeugen und das Bedienen von Maschinen verzichten.
Wann sollten Sie bei Schwindel zum Arzt gehen?
Wenn Sie häufig unter plötzlich einsetzenden, sehr starken oder anhaltenden Schwindelattacken leiden, sollten Sie deren Ursache unbedingt von einem Arzt abklären lassen. Erster Ansprechpartner kann Ihr Hausarzt sein, aber auch Fachärzte wie Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, Internisten oder Neurologen. Tritt plötzlich heftiger Schwindel auf und wird dieser von weiteren Symptomen wie Lähmungserscheinungen oder Sprachstörungen begleitet, sollten Sie sofort eine Klinik aufsuchen oder den Notarzt rufen.
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Quellen:
neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/erkrankungen/schwindel/was-ist-schwindel/
hno-aerzte-im-netz.de/krankheiten/schwindel/was-loest-schwindel-aus.html
patienten-information.de/kurzinformationen/gesundheit-allgemein/schwindel
neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/erkrankungen/schwindel/neuritis-vestibularis/
amplifon.com/de/ohrenkrankheiten/andere-ohrenkrankheiten/lagerungsschwindel
vertigo-klinge.de/schwindelarten/zentraler-schwindel/
aerztezeitung.at/fileadmin/PDF/2015_Verlinkungen/State_Schwindel.pdf
neurologicum-bremen.de/schwerpunkte/schlaganfall-und-schwindel/